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Waldbrände in der Umgebung von Tschornobyl

  • Die Sperrzone um das Kernkraftwerk Tschornobyl (russ.: Tschernobyl) wurde durch den Reaktorunfall 1986 schwerwiegend und langanhaltend radioaktiv kontaminiert.
  • Wenn radioaktiv kontaminierte Wälder in der Sperrzone brennen, können die in der Biomasse und in den obersten organischen Bodenschichten enthaltenen Radionuklide in die Atmosphäre freigesetzt werden.
  • Kleinere radioaktive Partikel können über weite Strecken transportiert werden und bei ungünstigen Luftströmungen auch Deutschland erreichen.
  • Die Aktivitätskonzentrationen in Deutschland sind sehr gering und aus Sicht des Strahlenschutzes unbedenklich.

Der Reaktorunfall in Tschornobyl (russ.: Tschernobyl) in der Ukraine setzte 1986 große Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt frei. Während leichtflüchtige Stoffe wie radioaktives Cäsium oder radioaktives Jod aufgrund hoher Temperaturen des brennenden Reaktors in große Höhen gelangten und sich mit Wind und Wetter weit verteilen konnten, lagerten sich schwerflüchtige radioaktive Stoffe wie Strontium und Plutonium vor allem in der näheren Umgebung des Kernkraftwerks Tschornobyl in der Ukraine und in den angrenzenden Gebieten von Belarus ab. Dabei wurde insbesondere die unmittelbare Umgebung des Kernkraftwerks schwerwiegend radioaktiv kontaminiert.

Bis heute sind radioaktives Cäsium, radioaktives Strontium und Transurane, wie Plutonium und Americium, wegen ihrer langen physikalischen Halbwertszeiten im näheren Umfeld des Kernkraftwerks Tschornobyl vorzufinden. Zum Schutz der Bevölkerung vor der hohen Strahlung in der Umgebung des havarierten Reaktors wurde 1986 eine Sperrzone eingerichtet. Rund 10 Prozent der bei dem Unfall in Tschornobyl insgesamt freigesetzten radioaktiven Stoffe haben sich innerhalb der Sperrzone abgelagert.

Waldbrände in der Sperrzone können radiologische Folgen haben

Brennendes Holz und Unterholz in einem Wald WaldbrandTrocknen Bäume, Sträucher, Gras und die obersten organischen Bodenschichten witterungsbedingt aus, steigt die Waldbrandgefahr.

In den Wäldern der Sperrzone rund um Tschornobyl (russ.: Tschernobyl) befinden sich die meisten der beim Reaktorunfall 1986 freigesetzten und anschließend abgelagerten radioaktiven Stoffe in den obersten organischen Bodenschichten und in der Biomasse, also beispielsweise in Bäumen, Sträuchern und Gras.

Bei einem Waldbrand können die abgelagerten radioaktiven Stoffe in die Atmosphäre freigesetzt werden, mit dem Brandrauch in unterschiedliche Höhen aufsteigen und mit den dort herrschenden Luftströmungen verbreitet werden. Die Menge und Aktivität der radioaktiven Stoffe, die bei einem Waldbrand freigesetzt werden können, sind deutlich geringer als bei dem Reaktorunfall 1986.

Trocknen Bäume, Sträucher, Gras und die obersten organischen Bodenschichten witterungsbedingt aus, steigt die Waldbrandgefahr. Ein Waldbrand kann dann zum Beispiel durch einen Blitzschlag ausgelöst werden. Verstärkt wird die Waldbrandgefahr in der Sperrzone zudem dadurch, dass dort keine Bewirtschaftung des Waldes stattfindet und somit große Mengen an leicht brennbarem Totholz vorhanden sind.

Waldbrände in der Sperrzone von Tschornobyl

Waldbrände kommen häufig in der Umgebung des Kernkraftwerks Tschornobyl (russ.: Tschernobyl) vor, beispielsweise gab es mehr als 1.000 Brände in der Sperrzone zwischen 1993 und 2010.

Die meisten dieser Waldbrände sind verhältnismäßig klein. Nur 9 Prozent der Waldbrände zwischen 2000 und 2020 betrafen eine Fläche von mehr als 100 Quadratkilometern.

In der Folge kam es in der Vergangenheit vor, dass geringe, aus Sicht des Strahlenschutzes unbedenkliche Spuren an Radioaktivität (im Bereich einiger Mikro-Becquerel Cäsium-137 pro Kubikmeter Luft) an der Messstelle des Bundesamtes für Strahlenschutz auf dem Schauinsland bei Freiburg gemessen wurden. Zum Vergleich: Unmittelbar nach dem Reaktorunfall in Tschornobyl 1986 betrug die atmosphärische Aktivitätskonzentration von Cäsium-137 in der besonders betroffenen Südhälfte Deutschlands im Mittel einige Becquerel pro Kubikmeter – und war damit bis zu 10 Millionen mal höher.

Beispiele für solche Waldbrände sind

  • ein Steppenbrand im Sommer 1992, bei dem geringe Spuren von Cäsium-137 auf dem Schauinsland gemessen wurden,
  • ein Wald- und Graslandbrand im Juli 2010 sowie Waldbrände im April 2015 und im Juni 2017, bei denen auch mithilfe empfindlichster Messgeräte keine Erhöhung der Radioaktivität in Deutschland festzustellen war, da radioaktiv belastete Luftmassen Deutschland nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit bzw. gar nicht erreicht haben,
  • Waldbrände im April 2020, bei denen die Rauchsäule eine Höhe von rund 2.500 Metern erreichte, und deren Ausmaß durch eine extrem trockene Witterung und eine außergewöhnlich hohe Temperatur begünstigt wurde. Sie hatten unter anderem aufgrund der damals herrschenden Luftströmungen keine Auswirkung auf Deutschland. Außerhalb der Sperrzone bestand keine Gefährdung für die Bevölkerung.

Durch Waldbrände kann Radioaktivität in die Atmosphäre gelangen

Wieviel Radioaktivität bei einem Waldbrand in die Atmosphäre freigesetzt wird, hängt von vielen Faktoren ab, wie beispielweise

  • der Größe der brennenden Fläche,
  • der Art und Aktivität der Radionuklide in der oberirdischen Biomasse (etwa in Bäumen, Sträuchern und Gras) und in den oberen organischen Waldbodenschichten,
  • dem Feuchtigkeitsgehalt der oberirdischen Biomasse und der oberen organischen Bodenschichten,
  • den Brandbedingungen, insbesondere der Brandtemperatur, sowie
  • den Wetterbedingungen, insbesondere Wind und Niederschlag.

In der direkten Umgebung der Brände (in oder nahe der Rauchfahne) können Menschen – je nach Intensität des Feuers und der Kontamination der brennenden Flächen - einer erhöhten Strahlung durch das Einatmen von aus Biomasse und Bodenschichten freigesetzten Radionukliden ausgesetzt sein. Auch außerhalb der Sperrzone rund um Tschornobyl können bei großen Waldbränden radioaktive Stoffe in der Luft nachgewiesen werden.

Radiologische Folgen von Waldbränden in der Sperrzone von Tschornobyl (russ.: Tschernobyl)

Wenn kontaminierte Wälder brennen, werden die in der Biomasse und in den obersten Bodenschichten enthaltenen Radionuklide zum Teil in die Atmosphäre freigesetzt. Mit dem thermischen Auftrieb gelangen die radioaktiven Partikel in die Höhe und werden mit Wind und Wetter räumlich verteilt und abgelagert:

  • Größere Partikel werden schnell wieder in der näheren Umgebung abgelagert.
  • Kleinere Partikel können mit dem Wind über weite Strecken transportiert und abgelagert werden, wobei sich ihr Anteil in der Luft mit zunehmendem Transportweg verringert. Bei trockenem Wetter werden beim Transport relativ wenig Partikel abgelagert. Regnet es jedoch während des Transports, werden die radioaktiven Partikel aus der Atmosphäre ausgewaschen und mit dem Regen verstärkt abgelagert. Dies führt dann zu einer (zusätzlichen) radioaktiven Kontamination des betreffenden Gebiets.

Nähere Umgebung (Tschornobyl)

Radiologische Folgen für die nähere Umgebung

Die Umgebung des Kernkraftwerks Tschornobyl (russ.: Tschernobyl) ist unterschiedlich hoch radioaktiv kontaminiert. Werden Radionuklide bei Waldbränden freigesetzt und in der näheren Umgebung abgelagert, können dort auch bisher nur gering kontaminierte Gebiete erheblich kontaminiert werden (Sekundärkontamination).

Reaktorgebäude in Tschernobyl mit Schutzhülle (2019) Reaktorgebäude in TschernobylSchutzhülle (New Safe Confinement) über dem havarierten Reaktor von Tschernobyl Quelle: SvedOliver/Stock.adobe.com

Der 1986 havarierte Reaktorblock 4 des Kernkraftwerks Tschornobyl und der zunächst zum Schutz vor radioaktiven Freisetzungen darüber errichtete so genannte alte Sarkophag, sind durch eine riesige Schutzhülle mit einer Höhe von etwa 110 Meter, einer Länge von 165 Meter und einer Spannweite von etwa 260 Meter, das sogenannte "New Safe Confinement", vor Waldbränden geschützt.

Die unmittelbare Umgebung des zerstörten Reaktorblocks ist jedoch extrem hoch kontaminiert. Zudem befinden sich in der Nähe des Kernkraftwerks Zwischenlager für radioaktive Abfälle und Anlagen zur Behandlung und Aufbereitung von radioaktiven Abfällen.

Käme es in der unmittelbaren Umgebung des zerstörten Blocks 4 zu Waldbränden, hätten diese voraussichtlich hohe Radionuklidfreisetzungen zur Folge und würden aktuell stattfindende weitere Sicherungsmaßnahmen wie etwa die Umlagerung der über 20.000 Brennelemente aus dem Nasslager in ein Trockenzwischenlager, den Abbau der instabilen Teile des alten Sarkophags oder die Bergung des kernbrennstoffhaltigen Materials und dessen sichere Endlagerung erheblich verzögern.

Fernere Umgebung (Deutschland)

Radiologische Folgen für die weitere Umgebung (Deutschland)

Bei ungünstigen Luftströmungen können kleine radioaktive Partikel auch Deutschland erreichen, allerdings nur noch in sehr geringen Mengen. Der Grund: Waldbrände setzen selbst in hochkontaminierten Gebieten in erheblich geringerem Maße Radioaktivität frei als der Reaktorunfall 1986. Zudem werden die Radionuklide während des langen Transports in der Atmosphäre bis nach Deutschland sehr stark verdünnt.

Die zusätzliche Strahlung, der Menschen in Deutschland durch Waldbrände in der radioaktiv kontaminierten Umgebung von Tschornobyl (russ.: Tschernobyl) ausgesetzt sein können, ist selbst unter ungünstigen Umständen äußerst gering gering (im Falle von radioaktivem Cäsium (Cäsium-137) beispielsweise etwa 10 Millionen Mal kleiner als nach dem Reaktorunfall 1986). Aus Sicht des Strahlenschutzes besteht dadurch keinerlei Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Umwelt.

BfS bewertet radiologische Folgen für Deutschland

Wenn ungewöhnliche Freisetzungen von Radionukliden zu erwarten sind oder bereits stattgefunden haben, wie zum Beispiel bei Waldbränden in hoch kontaminierten Gebieten, prüft das BfS zunächst die möglichen radiologischen Auswirkungen auf Deutschland. Modellrechnungen des Deutschen Wetterdienstes erlauben dabei die Vorhersage, ob die freigesetzten radioaktiven Partikel vom Ort des Waldbrandes überhaupt nach Deutschland gelangen können.

Luftstaubsammler an der BfS-Messstation auf dem Schauinsland Luftstaubsammler SchauinslandLuftstaubsammler an der BfS-Messstation Schauinsland

Gelangen Luftmassen mit radioaktiven Partikeln nach Deutschland, können die geringen Aktivitätskonzentrationen in der Luft nur mithilfe von extrem empfindlichen Messsystemen – wie sie etwa die Spurenmessstelle des BfS auf dem Schauinsland bei Freiburg nutzt – gemessen werden. Die Aktivitätskonzentrationen in der Luft sind so gering, dass andere Frühwarnsysteme wie etwa das ODL-Messnetz diese nicht wahrnehmen. Auch die Spurenmessstellen in anderen europäischen Ländern messen kontinuierlich die Aktivitätskonzentration von Radionukliden in der Luft und tauschen diese Informationen untereinander aus. Als Mitglied dieses wissenschaftlichen Netzwerks erhält auch das BfS alle relevanten Daten der anderen Länder.

Das BfS bewertet auf der Grundlage eigener Messungen, der Messungen weiterer europäischer Spurenmessstellen sowie der Ausbreitungsrechnungen die radiologische Lage in Deutschland und informiert das Bundesumweltministerium, die Medien und die Öffentlichkeit.

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Stand: 10.02.2023

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